Geschichte der Fischlandkeramik
Die Althäger Keramikerdynastie Löber – Teil l
Frida und Wilhelm Löber begründen die Fischlandkeramik
Auf Fischland-Darß-Zingst begegnet man dieser Keramik - einer unverwechselbaren blaugrauen Gebrauchskeramik in aufwändiger Ritz-Mal-Technik - nahezu überall: in Gaststätten und Hotels, in Pensionen, Gästezimmern und natürlich in den „guten Stuben“ vieler Einheimischer. Sie zeigt sich streng formal – meist mit Fisch, Mücke/Libelle, Dreiblatt und Spirale – oder freien, landschaftsgeprägten, malerischen Motiven wie Kranichen, Windflüchtern, Zeesen und Blüten. Jedes Stück ist ein Unikat, oft mit Sammlerwert.
Begründet wurde die Fischlandkeramik-Werkstatt bereits 1956 vom freien Bildhauer und Keramiker Wilhelm Löber, seiner ersten Frau, der Malerin und Grafikerin Frida sowie anfänglich in Zusammenarbeit mit dem Künstlerpaar Arnold und Bärbel Klünder. Erst damit nahm eine ausgesprochen erfolgreiche gestalterische und künstlerisch relevante keramische Produktion in Mecklenburg ihren Anfang, wie Hans Peter Jakobson, Direktor des Museums für Angewandte Kunst Gera, feststellt.
1903 als Sohn eines Pastors und einer Zeichenlehrerin in der Rhön geboren, erfährt Wilhelm Löber eine umfassende künstlerische Ausbildung an renommierten Kunstschulen, unter denen die Lehre in der keramischen Werkstatt des Bauhauses in Dornburg unter Max Krehan und Gerhard Marcks sowie bildhauerisches Arbeiten als Meisterschüler bei Gerhard Marcks an der „Burg“ Giebichenstein Halle von 1923 bis 1925 und 1929 bis 1932 herausragen. 1930 heiratet er die hochbegabte Frida Lüttich, die zwischen 1927 und 1930 ebenfalls an der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein studiert: zunächst Malerei und Grafik bei E. Hahs, Ch. Crodel, G. Marcks, ab 1929 auch Email bei Lili Schultz. 1932 siedeln sie wie viele Künstler zu dieser Zeit nach Althagen auf dem Fischland über. Zwischen 1932 und 1939 arbeitet Wilhelm Löber in seinem Althäger Atelier und in Berlin als Bildhauer; 1940 wird er als fünffacher Vater eingezogen und kehrt erst 1945 als überzeugter Kriegsgegner zurück. Wieder freischaffend arbeitend, geht er mit der großen Familie aus finanziellen Gründen bis 1952 als Dozent an die Staatliche Schnitzschule nach Empfertshausen in der Rhön. Die warmherzige, fröhliche Frida erzieht die unbändige, anstrengende Kinderschar. In den wenigen ruhigen Stunden malt und zeichnet sie, meist ihre Kinder.
1952 kehrt die nunmehr neunköpfige Familie nach Althagen zurück. Wilhelm arbeitet unermüdlich, fertigt Stein- und Holzarbeiten, Bronze- und Eisengüsse, Furnierschnitte und Metalltreibarbeiten. Frida malt – nur für sich, sofern die familiäre Belastung es zulässt. Das jüngste, achte Kind wird 1953 geboren. Die finanzielle Situation ist schwierig, und Frida will endlich wieder arbeiten. Wilhelm bringt seine fachlichen Kenntnisse speziell aus der Dornburger Zeit mit ein. Favorisiert wird zunächst Email. Aber der enorme Aufwand bei wirtschaftlich schwachem Markt führen 1956 zur Keramik: Die bereits damals so benannte Fischlandkeramik ist geboren, zeigt sich zunächst eher als Souvenir wie die bekannten Maulfische. Die Werkstatt füllt sich: mit mehr und unterschiedlicher Keramik und Mitarbeitern, aus der großen Familie, aber auch von außerhalb kommend. 1966 zerbrechen Ehe und damit gemeinsame Werkstattarbeit. Wilhelm Löber zieht nach Juliusruh auf Rügen, wo er eine neue und gleichzeitig erste Keramikwerkstatt der Insel aufbaut. Er stirbt dort am 28. 07.1981. Für die künstlerische Nachfolge der Fischlandkeramik sorgen die Nachkommen. 1966/67 übernimmt Friedemann Löber nach gerade absolvierter Meisterprüfung die Werkstatt und geht umgehend zur Scheibendreherei über. Bisher frei Geformtes wird zur Gebrauchskeramik mit eigener Note. Seine Mutter Frida arbeitet bis 1986 mit - aus Lust am Schaffen und Experimentieren. Trotz mehrerer Schlaganfälle mit Lähmungsfolgen schafft sie mit unbändiger Fantasie und sicherem Formgefühl eigenwillige, stets frei geformte poetische Gefäße, Figuren und figürliche Gefäße. Sie stirbt im März 1989 im Kreis ihrer Familie und in der Gewissheit, dass ihre Arbeit fruchtbar weitergeführt wird.
Die Althäger Keramikerdynastie Löber – Teil ll
Friedemann Löber und die Fischlandkeramik
Nahezu jeder kennt sie auf Fischland-Darß-Zingst:: die meist blau-graue, unverwechselbare Gebrauchskeramik mit dem Fisch, der Mücke, dem Krebs, der Eule…. und auch freien, landschaftsbezogenen Motiven. Sie entsteht in einer aufwändigen Ritz-Mal-Technik, die mit der Sgraffito-Technik beim Bauputz vergleichbar ist. Begründet 1956 vom Künstlerehepaar Frida und Wilhelm Löber in Althagen, wird sie erst ab den 60-er Jahren zur heute typischen Dekorkeramik. Denn ab 1967 führt mit dem „frisch gebackenen“ Keramikermeister Friedemann Löber das 5. von acht Kindern den erweiterten Familienbetrieb weiter und geht zur Scheibendreherei über. Die älteste Schwester Ella, über Jahrzehnte Friedemanns unermüdliche „rechte“ Hand, präzisiert das Dekor, das klassisch wird. Aber es gibt auch Einflüsse anderer Löber-Kinder und Mitarbeiter in der lebendigen, kreativen Werkstatt, in der Friedemann Löber mit Erfolg viele Keramiker ausbildet: u. A. seine jüngste Schwester Wilfriede Maaß (da ist er selbst 28 Jahre alt), Regine Wellmer, Renate Jankowski, Philine Spieß, Michael Goll, Peter Beyer, Anfang der 90-er Jahre in einer schwierigen gesellschaftlichen und persönlichen Umbruchphase (seine Frau stirbt 1991 völlig unerwartet) Tochter Henriette und Nichte Uta, die es nach Selbstständigkeit drängt.
Mit seiner zweiten Frau erwirbt Friedemann Löber1995 mit dem Dornenhaus das wohl älteste Rohrdachhaus von Althagen, boddenseitig direkt am historischen Grenzgraben zwischen Mecklenburg und Vorpommern stehend. Um 1660 erbaut, diente das denkmalgeschützte Anwesen als Bauern-, Seefahrer- und Zollhaus, beherbergte als Kulturbundhaus zahlreiche bedeutende Künstler, wie in den 50-er Jahren Bertolt Brecht und Helene Weigel, und war bis 1989 Kindergarten der Gemeinde. Seither leer stehend und dem Verfall preisgegeben, wurde das nach uralten, vom Wind gebeugten Weißdornbäumen auf dem davor liegenden Wall benannte Dornenhaus von den neuen Besitzern unter großem materiellen Aufwand aufwändig und liebevoll wiederaufgebaut. Neben der nunmehr hier befindlichen Töpferei für die traditionelle Fischlandkeramik von Friedemannn Löber werden im neu geschaffenen Galeriebereich seit 10 Jahren in urwüchsiger Atmosphäre ganzjährig Ausstellungen meist zeitgenössischer Künstler präsentiert, ergänzt von Lesungen und Konzerten. Das von jeher begehrte idyllische Maler- und Fotografenmotiv „Dornenhaus“ ist lebendiger denn je, sehr zur Freude der Gäste… und des vielseitigen Keramikers Friedemann Löber, der als ausgebildeter Baukeramiker neben der Fischland-Gebrauchskeramik u. A auch Fliesen/Ofenkacheln, Wandgestaltungen und frei geformte Figuren auch für den Garten anfertigt. Ein Besuch lohnt…